Dauertöne im Innenohr entwickeln sich unter Einfluß absteigender Nerven

Vor 1996 war unbekannt, daß die Entwicklung von schwachen Dauertönen im menschlichen Innenohr von Signalen der absteigenden Nerven aus dem auditorischen Gehirn beeinflußt wird.

Diese Töne, genannt spontane otoakustische Emissionen (SOAE), werden seit 1979 mit empfindlichen Mikrophonen im Gehörgang gemessen, und sie kommen in der Mehrzahl gesunder Ohren vor. Für die betroffenen Personen selbst sind sie im Normalfall nicht hörbar. In der Regel mißt man nur einige wenige Töne per Ohr. In seltenen Fällen, jedoch, können es um die 20 sein. Die Tonfrequenzen bleiben nahezu unverändert über viele Jahre. Sie reichen von 0,5 bis zu 10 kHz, wobei die Mehrzahl zwischen 1,5 und 3 kHz liegt.

Die Töne werden von hochspezialisierten Zellen im Innenohr erzeugt, die sowohl akustische Sensoren als auch Tonerzeuger sind. Ihre Funktion besteht darin, schwachen Schall aufzunehmen und ihn durch Bewegung ihrer Zellkörper zu verstärken. Jede dieser Zellen ist auf eine spezielle Frequenz abgestimmt. Zum Zwecke einer maximalen Empfindlichkeit haben sie eine selbstregulierte Reaktionsschwelle, die sie stets unmittelbar an der Grenze zu einer spontanen Zellkörperbewegung hält.

Gegenwärtig ist noch ungewiß, ob solch spontane Zellbewegung und Tonerzeugung nur harmlose Nebeneffekte einer extremen Sensorempfindlichkeit sind, oder vielleicht sogar Elemente einer weiteren Steigerung der Empfindlichkeit. Die Absenkung der Reaktionsschwelle durch schwaches Hintergrundrauschen, genannt stochastische Resonanz, ist bekannt von anderen Systemen der Signalentdeckung.

Es konnte nun gezeigt werden, daß die Frequenzverteilung dieser Töne nicht zufällig ist. Sie zeigt signifikante Tendenzen, die nur durch die einzigartigen Eigenschaften im auditorischen Mittelhirn (colliculi inferiores) erklärbar sind.

Anscheinend ist der ständige, absteigende Signalverkehr von diesem Hirnareal zu den Zellen der Tonerzeugung im Innenohr geprägt durch die anatomische Architektur und die Frequenzkartierung dieses zentralen auditorischen Kerngebiets. Solch ein anatomisch vorgeprägter absteigender Einfluß auf das Innenohr ist geeignet, das Hören der Tonhöhe von komplexen Tönen, wie in Sprache und Musik, zu unterstützen.

Publications:

Braun, M. (1997) Frequency spacing of multiple spontaneous otoacoustic emissions shows relation to critical bands: A large-scale cumulative study. Hear. Res. 114, 197-203. Abstract

Braun, M. (1998) Accurate binaural mirroring of spontaneous otoacoustic emissions suggests influence of time-locking in medial efferents. Hear. Res. 118, 129-138. Abstract, ask for PDF

Braun, M. (2000) Inferior colliculus as candidate for pitch extraction: multiple support from statistics of bilateral spontaneous otoacoustic emissions. Hear. Res. 145, 130-140. Abstract, ask for PDF

Recent results on central auditory implications of SOAEs

Interesting links: Rémy Pujol

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